Zahnmedizin und Kieferorthopädie

Wenn das Kausystem aus den Fugen gerät!

Warum Zahnmedizin und Kieferorthopädie in der Interdisziplinären Haltungs- und Bewegungsmedizin wichtig sind

Das Kausystem (kraniomandibuläres System) ist faszial und neurophysiologisch intensiv vernetzt mit anderen Systemen.

  • Deshalb können sich belastende Einflüsse aus anderen Systemen im Kausystem als Beschwerden und Schmerzen manifestieren,
  • und ebenso können Belastungen aus dem Kausystem zu Beschwerden und Schmerzen in anderen Körpersystemen führen.

Besondere Belastungen für das Kausystem selbst und für andere Körpersysteme sind

  • das Phänomen „Bruxismus“ (= Knirschen und Pressen mit den Zähnen) und
  • Störungen der Okklusion, die zu Körperfehlhaltungen führen.

Auf dieser Webseite werden diese Belastungen und die entsprechenden diagnostischen und therapeutischen Vorgehensweisen beschrieben.

Auch Zahnmedizin ist vor allem Medizin! In der Kraniofazialen Orthopädie wird dies besonders deutlich. Sie ist ein interdisziplinäres Konzept zur Diagnose und Therapie von Patienten mit Muskel- und Gelenkschmerzen innerhalb und außerhalb des Kausystems.

Das Phänomen „Bruxismus“

Unter dem Begriff „Bruxismus“ werden zwei Phänomene zusammengefasst:

  • Das nächtliche Knirschen und Pressen mit den Zähnen
  • Das „nervöse Spielen“ mit Zahnkontakten tagsüber

Bruxismus ist ein Stress-Phänomen: Engagierte, zuverlässige Menschen, die das Leben „kämpferisch“ und aktiv angehen, die sich „im Leben durchbeißen“ aktivieren nachts (ungefähr sechsmal pro Nacht für 15 Minuten) und tagsüber ihr Kausystem, wenn sie Stress verarbeiten bzw. im Stress sind.

Nachts geschieht dies mit sehr hohen Kräften: Bei Männern sind bis zu 200 kp gemessen worden. Solche Kräfte kommen sonst im Leben eines Menschen eher selten vor. Sie können Muskeln und Gelenke innerhalb und außerhalb des Kausystems überlasten und myofasziale Schmerzen verursachen:

  • Spannungskopfschmerzen und Migräne
  • Schulter-, Nacken-, Armschmerzen
  • Rückenschmerzen
  • usw.

Tagsüber sind die Kräfte beim „nervösen Spielen“ mit Zahnkontakten nicht so hoch wie nachts. Aber sie können bei gleichbleibender niedriger Kraft und auf Dauer die aktiven Muskeleinheiten überlasten und ebenso zu myofaszialen Schmerzen führen.

Durch die direkte anatomische Nachbarschaft zwischen Kausystem und den Strukturen des Innenohrs sowie den Strukturen der Augenhöhle können sich beide Formen des Bruxismus belastend auf Form und Funktion dieser „Nachbarsysteme“ auswirken und dort Beschwerden auslösen:

  • Tinnitus und Schwindel
  • Dysphorien und andere Sehstörungen

Weiter unten sind die diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten der Zahnamedizin und Kieferorthopädie aufgeführt.

Störungen der Okklusion führen zu Körperfehlhaltungen

Menschen schlucken ungefähr einmal pro Minute. Am Ende des Schluckvorgangs stützt sich der Unterkiefer kurzzeitig und mit geringer Kraft in maximal möglicher Verzahnung (= maximale Interkuspidation) am Oberkiefer ab.

Diese Kontaktposition entspricht in den Kiefergelenken immer den gleichen eindeutigen Beziehungen zwischen Kondylen, Disci und Fossae. In keinem anderen Körpergelenk ist eine solche eindeutige, wiederholbare Beziehung der beteiligten anatomischen Strukturen möglich.

Über die sensorischen Anteile der Trigeminusnerven und trigeminozerebellare Projektionen wird diese Beziehung der beteiligten Gewebe an das Kleinhirn (= Zerebellum) gemeldet. Dort wird sie vom Kleinhirn als eindeutige und wiederholbare Referenz zur Regulation des Gleichgewichts des Körpers im Schwerkraftfeld der Erde genutzt (= Körperhaltung).

Formstörungen der Verzahnung (= Okklusionsstörungen) wirken sich über diese Zusammenhänge belastend auf die Körperhaltung aus, was auf Dauer zu Körperfehlhaltungen und zu myofaszialen Beschwerden und Schmerzen außerhalb des Kausystems führen kann.

 

Woran Bruxismus-Patienten erkannt werden

Der Verdacht auf  Bruxismus kann bereits bei folgenden Beschwerden ausgesprochen werden:

  • Spannungskopfschmerzen und Migräne
  • Schulter-, Nacken-, Armschmerzen
  • Rückenschmerzen
  • Tinnitus und Schwindel
  • Dysphorien und andere Sehstörungen

In diesen Fällen sollte unbedingt ein zahnärztlich-kieferorthopädische Konsil erfolgen. Der Grund dafür ist, dass so hohe Kräfte wie beim nächtlichen Bruxismus sonst im Leben eines Menschen eher nicht auftreten. Die Behandlung solcher Patienten ist ohne die Vermeidung dieser Kräfte wenig erfolgversprechend.

Klinische Zeichen sind

  • druckempfindliche Kau- und Hals-Nacken-Muskeln
  • eingeschränkte, dysfunktionelle Mundöffnung
  • Knackgeräusche in den Kiefergelenken
  • Zahnabrasionen
  • und vor allem: Zahneindrücke am Zungenrand und an den Wangeninnenseiten

Sehr häufig haben wir es mit Patienten zu tun, die sich bereits dessen bewusst sind, dass sie nachts mit den Zähnen knirschen oder pressen und auch tagsüber an Zahnkontakten „spielen“, wenn Sie im Stress sind.

Wie Bruxismus-Patienten behandelt werden

Bruxismus ist vielmehr ein Stress-Phänomen als ein zahnmedizinisches Phänomen. Deshalb steht an erster Stelle des Umgangs mit Bruxismus die Eigeninitiative des betroffenen Menschen im Sinne eines angemessenen Umgangs mit Stress (= Stress-Management). Das anzustrebende, aber schwer erreichbare Ideal ist ein Mensch, der nie die Ruhelage des Unterkiefers verlässt und weder tagsüber noch nachts seine Zähne im Zuge einer Stress-Reaktion in Kontakt bringt (www.stress-management.expert).

Erst an zweiter Stelle stehen zahnärztliche Maßnahmen im Sinne von Schienen, die zum Einen hohe Kräfte verhindern und zum Anderen gleichmäßige Zahnkontakte herstellen sollen. Zur Vermeidung hoher Kräfte ist die so genannte Jig-Schiene das Mittel der Wahl (www.cmd-expert.de).

Ausgeprägte Formstörungen des Kausystems im Sinne von Zahnfehlstellungen oder Dysgnathien können heutzutage auch bei Erwachsenen mit kieferorthopädischen Methoden behandelt werden. Dabei sind so genannte selbstligierende Bracket-Systeme das Mittel der Wahl.

Schließlich kann eine physiotherapeutische und/oder osteopathische Begleitbehandlung zur Minderung von Schmerzen und Wiederherstellung normaler Gewebespannungen und -funktionen indiziert sein.

Vertiefende Informationen

Auf diesem Informationsportal finden Sie unter anderem Artikel, Videos und Online-Kurse zur Diagnostik und Therapie von Patienten mit Muskel- und Gelenkschmerzen innerhalb und außerhalb des Kausystems.

Auf diesem Informationsportal finden Patienten vertiefende Information zum angemessenen Umgang mit dem Phänomen „Bruxismus“ und die entsprechenden diagnostischen und therapeutischen Vorgehensweisen. Ebenso gibt es auf diesem Portal eine Suchfunktion für Zahnärzte, Kieferorthopäden und Therapeuten, die sich mit dieser Thematik beschäftigen.

Auf diesem Informationsportal finden Sie einführende und vertiefende Videolektionen zum angemessenen Umgang mit Stress und ebenso den Online-Kurs „Stress-Management mit System“.

Die “Orale Medizin” hat sich zum Ziel gesetzt, die Zahnmedizin wieder mitten im Kreis der medizinischen Disziplinen zu platzieren. Täglich kommen Patienten mit Beschwerden wie Allergien, Parodontitis, Kopf- und Nackenschmerzen, chronischen Schmerzen oder Schlafstörungen in die Zahnarztpraxis, die interdisziplinäre Maßnahmen erfordern.